OneID aus Sicht von Thomas Schwetje, Coop

OneID aus Sicht von Thomas Schwetje, Coop

Das folgende Interview mit Thomas Schwetje, Mitglied der Geschäftsleitung Coop, wurde zuerst veröffentlicht auf persoenlich.com

Die Schweizer Werbeauftraggeber fordern schon seit längerem funktionierende Ersatzlösungen für das Third Party Cookie. Mit OneID haben die Schweizer Vermarkter nun eine erste Antwort auf diese Forderungen angestossen. Im «persönlich»-Interview spricht Siri Fischer, Geschäftsführerin der IGEM, mit Thomas Schwetje, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter der Direktion Digital & Customer bei Coop, über die «Cookie-Apokalypse» und seine Perspektive auf datengetriebene Werbung in der Schweiz.

Herr Schwetje, kann man heute noch so gut digitale Werbung machen wie vor fünf Jahren?

Die Möglichkeiten des datengetriebenen Marketings auf den digitalen Kanälen sind heute vielfältiger und einfacher zugänglich. Es sind neue Mediengattungen verfügbar, die programmatisch genutzt werden können, zum Beispiel DOOH, Radio oder auch TV. Auch die technologische Entwicklung, Stichwort AI, hilft der Effizienz der digitalen Werbung. Wenn man nun diese für die digitale Werbung sehr positiven Entwicklungen der Cookie-Thematik gegenüberstellt, dürfte es sich im Minimum die Waage halten. Unter dem Strich würde ich daher sagen: Ja, genauso gut – aber anders.

Nachdem Google letztes Jahr das endgültige Aus für Third Party Cookies auch in Google Chrome für Ende 2024 angekündigt hat, kommen nun wieder Zweifel auf. Das IAB Tech Lab beurteilt die von Google angebotenen Alternativen (Privacy Sandbox) als nur bedingt umsetzbar und äussert Bedenken bezüglich des weiteren Ausbaus der Vormachtstellung des Google-Chrome-Browsers.* Ihre Prognose: Gibt es Weihnachten noch Cookies oder nicht?

Durch die Browser-Restriktionen ist die Nutzung von Cookies schon seit längerer Zeit limitiert. Safari und Firefox blockieren standardmässig Cookies von Drittanbietern. Kurz gesagt: Die Entwicklung ist schon lange bekannt und das Ende der Technologie absehbar. Insofern ist es ganz egal, ob die Cookies bereits vor oder erst nach Weihnachten der Vergangenheit angehören. Gleichzeitig unterstreicht es die Wichtigkeit der First-Party-Daten. Im Vorteil ist daher, wer sich schon früh damit beschäftigt hat.

Die «Cookie-Apokalypse» wird ja breit diskutiert. Bei all dem Hin und Her: Was bedeutet das eigentlich konkret für Coop? Gibt es Zahlen, die Coop kommunizieren kann?

In der programmatischen Ausspielung ist die Adressierbarkeit eingeschränkt und die Attribution der Conversions nicht mehr so genau. Im Bereich der Breitenkommunikation ist das eine kleinere Herausforderung, da wir hier auf Initialkontakte und Reichweite optimieren. Innerhalb der Performance-Disziplin haben wir uns bei Coop schon früh für eine First-Party-Daten-Strategie entschieden. Aus diesen Gründen bleiben wir trotz des Hin und Her entspannt. Um es klar zu benennen: Wer die vergangenen Jahre genutzt hat, um eine digitale Endkundenbeziehung aufzubauen und reichweitenstarke Apps oder Portale im Markt zu etablieren, und beides über einen sehr guten Marketing-Tech-Stack orchestrieren kann, wird nach unserer Überzeugung in Zukunft Wettbewerbsvorteile erlangen. Interne Zahlen kommunizieren wir grundsätzlich nicht.

Neben Googles Privacy Sandbox gibt es weitere Alternativen, die der Markt anbietet. Auf der einen Seite ist klassische, kontextbasierte Aussteuerung und Messung wieder en vogue, auf der anderen Seite kommen immer mehr Advertising-ID-Lösungen auf den Markt, die eine datenschutzrechtlich unbedenkliche Optimierung von Werbung auf Basis von First-Party-Daten versprechen. Und natürlich bieten die grossen Plattformen wie Meta oder Google nach wie vor gute Lösungen in ihren Walled Gardens an. Wie hat Coop sich hier aufgestellt?

Wie bereits erwähnt, sind für uns die Kundendaten zentral. Mit einem in der Schweiz einzigartigen Datenuniversum sind wir im Bereich des datenbasierten Targetings sehr gut aufgestellt. Nebst unseren eigenen First-Party-Daten nutzen wir gezielt weitere Möglichkeiten wie Publisher-Targetings, also First-Party-Daten der Publisher, kontextbasierte Aussteuerung, Advertiser-Lösungen innerhalb von Meta und Google und neu hoffentlich auch bald OneID. Durch eine diversifizierte und flexible Handhabung der Werbestrategie können wir auf technologische und inhaltliche Veränderungen reagieren.

Derzeit bereiten die Schweizer Verlage über ihre Werbevermarkter ja eine Schweizer Advertising-ID-Lösung, nämlich OneID (nicht OneLog, das sich bereits seit längerem als Login-Lösung direkt an die User richtet), vor, die im Mai 2024 verfügbar sein soll. Wie bewertet Coop diese neue Initiative?

Die Initiative ist begrüssenswert, kommt jedoch deutlich zu spät. Das Bedürfnis nach einer stabilen Schweizer ID-Lösung existiert schon lange und wurde auch immer wieder gegenüber den Publishern kommuniziert. Eine breite User-Basis, stabile Daten und eine hohe Marktakzeptanz sind Grundvoraussetzungen für den Erfolg von OneID. Da es ausser der Ankündigung im November 2023 offiziell noch kein konkretes Angebot gibt, ist eine weiterführende Bewertung schwierig.

Gibt es über die reine Werbe-ID hinaus noch Einsatzbereiche für First-Party-Daten, die für Coop wichtig und spannend sind? Wie weit sollte aus Sicht von Coop der Einsatz von Daten im Bereich Werbung gehen?

Mehr noch als für die reine Werbung nutzen wir sie, um unseren Kund:innen innovative und nutzenstiftende Services zu bieten. So konnten wir durch die Nutzung von First-Party-Online- und -Offline-Daten beispielsweise die Zeitdauer für einen Online-Einkauf auf Coop.ch durch die personalisierten Websites reduzieren. Werbung oder sonstige personalisierte Services auf Basis von First-Party-Daten sollten sich immer am Kundennutzen orientieren. Der Einsatz von First-Party-Daten sollte sich immer an zwei Fragen orientieren: Bringt die Personalisierung einen relevanten Kundennutzen? Würden die Kund:innen die Personalisierung wünschen, wenn sie die freie Wahl hätten? Wenn eine der beiden Fragen verneint wird, sollte man den Einsatz kritisch hinterfragen.

Wenn Sie sich noch mehr von den Schweizer Vermarktern wünschen dürften, was wäre das?

Die Einführung der Kampagnenforschung von Mediapulse wäre für den Digitalmarkt wichtig gewesen. Eine unabhängige Reichweitenmessung – mit all ihren Einschränkungen – ist für die Mediaplanung wichtig und existiert praktisch für jeden anderen Medienkanal. Dass das Projekt nun vom Tisch ist, ist enttäuschend und wirft die Frage auf, ob die Vermarkter nicht hinreichend an ihr eigenes Produkt glauben. Des Weiteren macht uns die Content-Qualität zunehmend Sorgen. Die grossen News-Sites laufen unter dem Begriff «Schweizer Premium-Inventar». Um diesem Anspruch weiter zu genügen, ist eine Investition in journalistische Qualität notwendig. Wir beobachten im Schweizer Markt eine eher konträre Entwicklung. Zugleich wurde die Anzahl Werbeflächen signifikant erhöht. Hierdurch wurde teilweise Werbung angezogen, in deren Umfeld andere Werbetreibende ungern Werbung schalten. Für Coop spielt das qualitative Umfeld eines Mediums eine wichtige Rolle.

Vielen Dank, Thomas Schwetje, für die spannenden Inputs. Wir sind ebenso gespannt, wie es mit OneID und der Vermarkter-Kooperation weitergeht.

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